Artikel: Der erste Anzug sitzt / Interview mit einem Gründer[ Interviews ]
08.10.2009  |   Klicks: 2223   |   Kommentare: 8   |   Autor: pdmax
Der erste Anzug sitzt / Interview mit einem Gründer
Was es heißt in Deutschland ein Start-Up zu gründen, davon berichtet Peter Waleczek im schneckenhof.de-Interview.
Peter Waleczek, noch nicht mal mit dem Studium fertig, aber schon Chef der eigenen Firma. Mit schneckenhof.de spricht der Ex-Student, der sein Vordiplom in Mannheim ablegte, über das Gründen einer eigenen Firma, die Idee dahinter sowie den Übergang vom Studenten- ins Berufsleben.

Peter, wie fühlt es sich an, Firmengründer und –besitzer zu sein?
Es ist auf jeden Fall spannend und abwechslungsreich. Für mich persönlich bedeutet es sehr viel, von Anfang an die eigenen Ideen verfolgen und direkt in die Tat umsetzen zu können. Durch die eigene Entscheidungsfreiheit, Kreativität, aber auch Disziplin und Durchhaltevermögen kann man gestalten und die Erfolgschancen stark beeinflussen, denn das Risiko trägt man ja letztendlich selbst. Man weiß zumindest, wofür man was tut.

Was ist herrenschmiede.de genau?
Herrenschmiede ist ein junges Berliner Start-up, das den Luxus und die Qualität von individueller Maßbekleidung mit den Vorteilen des modernen E-Commerce verbindet. Wir konzentrieren uns dabei zurzeit noch voll auf Maßhemden und Maßanzüge. In Zukunft werden wir unser Produktportfolio aber noch weiter ausbauen.

Was ist als nächstes geplant? Hast Du schon Pläne in der Schublade?
Zunächst arbeiten wir gerade fieberhaft an einem bundesweiten Vertriebspartnernetzwerk, dass mit 100 Partnern Ende des Jahres stehen soll. Bei Herrenschmiede wird es auch weitere Produkte geben z.B. Wintermäntel und kleinere Accessoires. Außerdem werden wir in einem Joint Venture unter der Marke Shoepassion hochwertige Herrenschuhe anbieten.

Wie kamst Du auf die Idee für herrenschmiede.de?
Die Idee kam mir letztes Jahr, als ich nach einem passenden Anzug für ein Bewerbungsgespräch gesucht habe. Leider wurde ich nicht fündig, da mir entweder nur das Sakko oder nur die Hose gepasst haben. Nie beides. Ich habe mir dann damals bei einem ‚fliegenden Schneider‘ einen Anzug anfertigen lassen und war vom Ergebnis begeistert. Nur die doch sehr lange Lieferzeit von über acht Wochen hat mich gestört. Überzeugt davon, dass ich nicht der Einzige mit dem Problem bin, ist die Idee gereift und hat sich weiter bis hin zu einem Online Start-up entwickelt.

Wie lange gibt es herrenschmiede.de nun schon?
Das erste Telefongespräch mit Tim, meinem Geschäftspartner, war im letzten Oktober. Anfang November saßen wir schon in einer Berliner Bücherei und haben losgelegt. Im Dezember konnten wir auch noch Katharina als Designerin gewinnen. Die offizielle GmbH-Gründung erfolgte dann schließlich im Dezember.

Sind bestimmte Arbeitsabläufe schon zur Routine geworden oder ist es jeden Tag noch neu und überraschend?
Natürlich haben sich manche Arbeitsabläufe wie Bestellabwicklung, Kundenbetreuung oder auch Bereiche wie die Buchführung routinisiert. Aber es kommen täglich Sachen, mit denen man nicht rechnet und schnell reagieren muss. Von den ersten Ideen bis heute haben wir schon mehrmals am kompletten Businessmodel geschraubt, um uns den Marktgegebenheiten anzupassen. Das ist und bleibt ein fortlaufender Prozess.

Wie ist es, in Deutschland ein eigenes Start-Up an den Start zu bringen?
Ich glaube viele übertreiben mit den Aussagen, dass der Standort Deutschland übermäßig viele Nachteile birgt. Insbesondere Berlin hat viele Vorteile und bietet jungen Unternehmen eine gute Infrastruktur. Was meiner Meinung nach aber auf jeden Fall verbessert werden sollte, ist der bürokratische Aufwand und die damit verbundenen Kosten für die eigentliche Gründung. Ich finde es unverhältnismäßig, dass eine GmbH fast 10 Prozent ihres Gründungskapital für Notare, Anwälte oder Buchhalter aufbringen muss.

Gibt es Unterstützung oder hast Du das Gefühl, man ist auf sich selbst angewiesen?
Wir hatten das große Glück, dass uns von vornerein einige erfahrene Unternehmer unterstützt haben, und uns vor dem ein oder anderen Stolperstein gewarnt haben. Die Internet-Community ist untereinander gut vernetzt und es gibt regen Austausch. Zudem gibt es mittlerweile viele Förderprogramme, auf die sich junge Unternehmer bewerben können. Zumindest für die ersten Schritte finde ich das Angebot groß. Ganz allgemein sollten junge Gründer auf jeden Fall mit vielen Leuten vorab schon über ihre eigenen Ideen sprechen und die Erfahrungen von anderen Leuten einholen.

Mit wem hast Du so gesprochen über Deine Idee? Wer waren Deine „Ratgeber“?
Ich habe am Anfang das Angebot genutzt und bei einigen Gründerveranstaltungen gepitcht um mir Feedback einzuholen. Insbesondere haben uns auch 3 Gründer aus dem Online Bereich unterstützt.

Was hast Du studiert? Bist Du schon fertig?
Ich habe BWL in Mannheim bis zum Vordiplom studiert. Danach bin ich für den Master in Management an die HEC nach Paris gewechselt. Zum Abschluss fehlen mir jetzt nur noch ein Semester und die Masterarbeit. Aber das verschiebt sich aufgrund der Herrenschmiede momentan ein wenig nach hinten, und die Anzahl meiner Urlaubssemester steigt .

Hand aufs Herz: machst Du den Abschluss überhaupt noch?
Auf jeden Fall hab ich es vor. Ob es nächstes Jahr schon klappt weiß ich noch nicht, aber spätestens 2011 werde ich es in Angriff nehmen.

Wenn Du jetzt mal auf Deine Erfahrungen blickst – was hat die berufliche Realität mit den Lehren des Studiums gemeinsam? Lohnen die Mühen sich überhaupt?
Ich glaube im Studium lernt man eine bestimmte analytische Denkweise und das selbstständige Arbeiten, das einem auch während der Arbeit hilft. Auf jeden Fall sind die Kontakte, die während des Studiums geknüpft werden, Gold wert. Das theoretische Wissen bleibt jedoch in der Tat meistens theoretisch.

Welches Anforderungsprofil braucht man aus Deiner Erfahrung, um seine eigene Firma zu leiten?
Man muss einfach mit Leidenschaft dabei sein und Durchhaltevermögen mitbringen, den besonders am Anfang gibt es immer mal wieder Durststrecken oder Sachen entwickeln sich ganz anders als geplant. Spaß an der Arbeit ist das Wichtigste. Aber ohne Disziplin geht es natürlich auch nicht.

Thema Disziplin. Welche Ziele habt Ihr Euch mit Eurem Projekt mittelfristig gesteckt?
Mittelfristig wollen wir natürlich ein solides Unternehmen mit zufriedenen Kunden aufbauen. Aus unserem Start-Up soll ein „richtiges Unternehmen“ werden, das dauerhaft erfolgreich ist.
Schläfst Du schlechter mit der Verantwortung, für fremdes Risikokapital in Deiner Firma verantwortlich zu sein?
Nein, nicht wirklich. Ich sehe es eher als Ansporn.

Wie darf man sich das vorstellen? Schränkt einen dieses fremde Engagement in seiner Arbeit ein oder kann man trotzdem schalten und walten, wie man es selbst für richtig hält?
Bis jetzt hat uns dies noch in keiner Weise eingeschränkt. Oftmals ist es eine sehr motivierende Möglichkeit zum Sparring.

Zurück zur Herrenschmiede: Euer Service ist umfassend – von der Stoffprobe bis zur persönlichen Vermessung – wie meistert ihr diese logistischen Herausforderungen?
Dies ist in der Tat eine unserer großen Herausforderungen. In Berlin können wir dies mittlerweile durch unseren mobilen Außendienst ganz gut abbilden. Im Moment expandieren wir deutschlandweit und bauen uns ein geeignetes Partnernetz auf. Das bedarf viel Koordination, aber dank unserer Kontakte und den modernen Kommunikationsmitteln wird uns das gelingen.

Wie kommt Euer Service an?
Besonders die individuelle Beratung kommt gut an. Viele unserer Kunden finden die Verzahnung von On- und Offline sehr attraktiv. Auch die günstigen Preise und die kurzen Lieferzeiten im Vergleich zu anderen Maßschneidereien sind für viele unserer Kunden große Pluspunkte.

Ist die Gefahr nicht groß, dass Ihr Euch dabei schon wieder weit, vielleicht zu weit, von der Grundidee Eures Konzepts entfernt?
Ich glaube nicht. Wir sind ohne große Erfahrung gestartet. In manchen Bereichen kann und muss man das Rad einfach nicht neu erfinden. Aber umso tiefer wir in die Branche eintauchen und je mehr Feedback wir bekommen, umso mehr verbessern wir uns. Wir wissen nun besser, was die Kunden wollen. Daraus entstehen viele neuen Ideen. Außerdem bin ich felsenfest davon überzeugt, dass insbesondere im Online- Bereich, Stillstand der Anfang vom Endejeder Firma ist.

Wir wünschen Euch nur das Beste und haltet uns auf dem Laufenden – danke für den kleinen Talk.
Danke Dir hat Spaß gemacht!
 
8 Kommentare zu diesem Artikel
08.10.09, 10:53 Uhr #1 von Mr_Pink
Das Grundstudium in Mannheim legitimiert das natürlich. Ich bin aber trotzdem für Intervies mit Mannheimer Jungunternehmern.
08.10.09, 11:02 Uhr #2 von Danielh
soweit ich weiß, haben die auch eine "Zweigstelle" in HD...
08.10.09, 11:03 Uhr #3 von Pudi
Joa, Bezug zu Monnem is jetz net so groß. Da gibts noch genug andere ohne Abschluss die wenigstens in MA geblieben sind
08.10.09, 13:07 Uhr #4 von Prinz-von-Zamunda
sehr guter artikel!
08.10.09, 13:56 Uhr #5 von MuG3L
Suit up!
08.10.09, 20:17 Uhr #6 von Mr_Pink
Artikel ist natürlich gut, wollte keine Abwertung vornehmen.

Finde auch die Thematik gut, auch wenn ich kein BWLer bin.

Also gerne mehr davon, Leute gibt es HIER auch genug.
09.10.09, 12:15 Uhr #7 von kresh
z.B. SEMESTERBOOKS.de aus Heidelberg/Mannheim
10.10.09, 11:24 Uhr #8 von Fred_vom_Jupiter
Schönes Interview. Interessanter Artikel.

Und der Herrenschmiede weiterhin viel Erfolg
Neue Artikel aus Interviews
Aktuelle Artikel (alle Rubriken)