Die Geschichte ist mehr oder weniger jedem bekannt. Oscar Wildes einziger Roman thematisiert gesellschaftskritisch das Narziss- und Doppelgänger-Motiv und glänzt mit stimmigen Dialogen.
So viel zum Buch. Die neue Verfilmung des Klassikers spielt im späten 19. Jahrhundert und zeigt eine authentische Kulisse des viktorianischen Londons. Der Film folgt zu Beginn mit einigen Abweichungen der Buchvorlage: Dorian Gray, gespielt von Ben Barnes (bekannt aus Die Chroniken von Narnia), kehrt als makelloser, aber naiver Jüngling in das Haus seines verstorbenen Onkels zurück, das er mit traumanischen Erlebnissen aus seiner Kindheit verbindet.
In wiederkehrenden Rückblenden werden die Misshandlungen des kleinen Dorians angedeutet, ausgeführt vom bösen, dicken und alten Onkel. Dieser Handlungsstrang führt jedoch nicht zu einer Aufarbeitung des Erlebten, sondern komplett ins Leere.
Der traumatisierte Dorian wird von dem Maler Basil Hallward (Ben Chaplin) unter seine Fittiche genommen. Er ist fasziniert von Dorians Aussehen und portraitiert ihn lebensgroß. Zeitgleich macht der Jüngling eine folgenschwere Bekanntschaft mit dem charismatischen Lebemann Lord Henry Wotton (Colin Firth, bekannt aus Bridget Jones). Dieser führt ihn in verrauchte Opiumhöhlen, zwielichtige Kneipen und Bordelle.
Sein Einfluss ist anscheinend so groß, dass Dorian sehr schnell seine Seele verkauft, um nicht zu altern,. Ab diesem Zeitpunkt ist Dorian Gray mit ewiger Schönheit und Jungend gesegnet, allerdings spiegelt sein Portrait alle seine Sünden wider.
Bei seinen Ausflügen ins Londoner Nachtleben lernt er die ärmliche Schauspielerin Sybil Vane (Rachel Hurd-Wood) kennen und verliebt sich in sie. Doch durch den schlechten Einfluss von Lord Wotton ist diese Beziehung zum scheitern verurteilt: Dorian verführt Sybil, lässt sie jedoch schnell fallen. Dies hat schwere Folgen- nicht nur für Sybil, sondern auch für Dorians Persönlichkeitsentwicklung.
In der zweiten Hälfte des Films, die sich vor allem durch ein schleppendes Tempo auszeichnet, werden ausführlich und facettenreich Dorians Vergehen gezeigt: von Opium- und Alkoholexzessen bis hin zu frivolen Festen und Sex-Orgien, sogar mit dem Maler Basil- alles ist dabei. Dabei bekommt der Film einen unübersehbaren Soft-Porno-Charakter. Neben seinen erotischen Umtrieben begeht Dorian eine weitere Todsünde- mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.
Zum Ende hin wird noch eine zweite, im Roman nicht angelegte, Liebesstory eingeführt: Nach Dorians jahrelanger Reise verliebt er sich ironischerweise in die Tochter seines Verführers Lord Wotton. Drehbuchautor Toby Finlay erklärt, dass die Buchvorlage nicht genug Dramatik lieferte und damit aufgepeppt wurde.
Zwischen Emily Wotton (Rebecca Hall) und Dorian entbrennt innerhalb kurzer Zeit eine innige Liebe- Emily hat sich offensichtlich, wie Dorian selbst, in sein immer noch junges Äußeres verliebt.
Zu diesem Zeitpunkt ist Dorians Seele jedoch schon so verdorben- man muss sich nur das mittlerweile von Maden zerfresse, nur noch fratzendhaft vor sich hin röchelnde Portrait anschauen- dass ein gutes (Liebes-) Ende unmöglich scheint.
Der Film setzt stark auf visuelle Effekte: authentische Kleidung, düstere Atmosphäre und etwas fehlplatziert wirkende Gruselelemente- und vergisst dabei Einblicke in Dorians Innenleben zu geben, um so die Handlung(-en) der Personen plausibel zu machen.
Die im Roman beschriebenen wiederkehrenden paranoiden Wahnvorstellungen als Folge seiner Sünden sind für Dorians Entwicklung und spätes Umdenken wichtig. Allerdings wird der (Wende-)Punkt von Dorians Persönlichkeitsentwicklung im Film nicht verdeutlich und die Wandlung bleibt nicht nachvollziehbar.
Dennoch setzt der Film gekonnt das immer noch gegenwärtige (Haupt-)Thema des Romans anschaulich um. Im Zeitalter von Mager-Wahn, Botox-Flatrates und Schönheits-OP's wird der kollektiven Jugend-und Körperkult, vielleicht mehr denn je, zelebriert. Außerdem werden im Film Originalzitate des Romans verwendet- somit sind die Dialoge zwischen den Personen treffend und tiefgründig.
Regisseur Oliver Parker könnte sich eigentlich als Wilde-Kenner bezeichnen. Er wagte sich schon zwei Mal an Theaterstoffe des Autors ran. Dennoch verliert er sich diesmal in visuellen Details, spickt den Film mit erotischen Ausschweifungen, betont dabei die homosexuelle Beziehung zwischen Dorian und Basil, wahrscheinlich als offensichtliche Andeutung auf Wildes persönliche Vorliebe, und versucht die Zuschauer durch angedeutete Gruselmomente bei Laune zu halten. Dies geht alles auf Kosten des Tiefgangs und der Charaktere.
Möglicherweise kann man sich deswegen erklären, wieso der Film nur in acht, anstatt in den üblichen 50 Ländern, gezeigt wird.
Insgesamt gleicht die Verfilmung von Wildes psychologisch-gesellschaftskritischem Roman einem anrüchigen Drama mit Horrorfilmelementen. Eher gutes Mittelmaß, als ein cineastisches Meisterwerk.
Nicht die Vollkommenen, sondern die Unvollkommenen brauchen unsere Liebe sagte einst Oscar Wilde- demnach sollte man sich den Film zumindest anschauen.
"Das Bildnis des Dorian Gray" läuft ab dem 15.April im Kino. Weitere Infos unter
www.kinos-in-mannheim.de
Hier geht's zum Trailer: