Artikel: Buchblumbier Monopoly (Teil 1)[ Kolumne ]
11.01.2004  |   Klicks: 6735   |   Kommentare: 5   |   Autor: kroko
Buchblumbier Monopoly (Teil 1)
Gehe zur Wirtschaftshochschule Mannheim. Begib dich direkt dorthin, gehe nicht mehr zu Unifeten, trink nicht das Bier, das dir schmeckt. „L’uni c’est moi!“ schrie Prof. Arndt aus den weit geöffneten Fenstern seines Rektorzimmers. "Für Euch Studentenpack gibts nur noch Eichbaum!" Sprachs und schenkte sich ein Guiness ein. (Teil 1)
I.
Erst wenn der letzte exklusive Knebelvertrag mit dem letzten Mannheimer Unternehmen über das letzte Nahrungsmittel geschlossen sein wird, werdet ihr feststellen, dass man pappige Burgerbrötchenreste mit alkoholfreiem Buchblumbier nur schwer runterspülen kann.

Dann wird eines unschönen Tages Studentin Honey Bunny auf den Tisch springen, vom Leidensdruck überwältigt, mitten in der Mensa, zur Hauptstoßzeit, und rufen:

„Der Pfad der Gerechten ist auf beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Siehe, ich will große Rachetaten an denen vollführen, die da versuchen meine Brüder zu vergiften und zu vernichten und mir Grimm werde ich sie strafen, dass sie erfahren, ich sei der Herr, wenn ich meine Rache an Ihnen vollstreckt habe.“
Wirft die Reste ihres Pappburgers in den Pappbecher, leert das ganze mit einer Handgelenksdrehung aus und schreit dabei: „That's no tasty beerburger!“

Am Ende einer Reihe von Ereignissen stehend, ist Erregung zwar noch verständlich, aber leider oft schon sinnlos geworden. Besser, man hätte bereits das Fallen des ersten unglückseligen Dominosteins verhindert, oder zumindest ein klein wenig Bemühen gezeigt, solange noch irgendwas rauszuholen war.


II.
„Ich will meine Jacke von Euch ersetzt haben!“, randaliert Michael Kohlhaas und zerrt den asta-Kulturreferenten am T-Shirt.
„Wenn dir deine Jacke auf einer unserer Feten geklaut worden ist, tut mir das sehr leid“, versetzt der so Angegriffene, „aber für Garderobe keine Haftung.“
„Wer redet denn von geklaut“, tobt Student Kohlhaas und wirft seine zerfetzte Jacke auf den abgenutzten asta-Schreibtisch.

Honey Bunny bereichert die Szene durch ihre Anwesenheit. „Die sieht ja übel aus“, meint sie mit Kennerinnenblick, „und sie riecht auch ziemlich streng.“

„Taubendreck! Taubendreck! Aus Taubenschnäbeln!“ flippt Michael Kohlhaas erneut aus.

„Wir sind nur der vollkommen machtlose asta. Werden für alles verantwortlich gemacht, ohne für etwas verantwortlich sein zu dürfen. Dass wir noch jedermanns zerfledderte Jacke ersetzen sollen ...“

„Es war ein asta-Flugblatt! Der Fahrer des Lasters hat es mir gesagt!“ Michael Kohlhaas ist außer sich.


III.
Etwa zur Mittagszeit, die Sonne war warm und die Lüfte waren lau, das Seitenfenster runtergekurbelt, traf ein spitzer Gegenstand den 18jährigen LKW-Aushilfsfahrer Jean Chene an der Schläfe.
Von der Situation überfordert, leitete er eine Vollbremsung ein.
Die Ladung des Dreiachsers kam dadurch ins Rutschen, die Plane riss. Jean Chene konnte seinem Führerhaus zwar unverletzt entsteigen, aber die Misere war unübersehbar.

Mehrere Hundert Liter Bier begannen sich aus zerbrochenen Flaschen über die Bismarckstraße zu ergießen. Scharen von Tauben segelten herbei, um sich an dem verflüssigten Getreide zu verköstigen.

Wie es der schnellstmöglich herbeigeeilte Havariekommissar Weldeson treffend bemerkte: „Ozapft is.“


IV.
Auf dem Paradeplatz in Mannheim ist es verboten, in der Öffentlichkeit alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Fünfzehn Videokameras wachen dort Tag und Nacht über die Einhaltung der prohibistischen Verordnung.

Ohne dass er sich einer Schuld bewusst war, zoomte eine dieser Kameras am frühen Nachmittag auf den Studenten Michael Kohlhaas, der sich auf dem Weg zu „Big Kahuna Burger” befand, um mal wieder einen anständigen Hamburger zu essen, und unversehens auf etwas Weiches trat. Eine Taube. Der ganze Paradeplatz war voll von torkelnden Tauben.

Ein außer Kontrolle geratendes Polizeipferd galoppierte knapp vor seiner Nase vorbei, wildgewordene Tauben attackierten Passanten, die sich in Straßenbahnen zu retten versuchten.

Mehrere Tauben ließen sich auf Michaels Schultern und Kopf nieder.
„Nicht bewegen“ flüsterte ihm ein älterer Herr auf einer Parkbank zu, ebenfalls von Tauben belagert. „Wenn du dich nicht bewegst, tun sie dir nichts.“
Michael Kohlhaas blieb also nichts übrig, als regungslos zu verharren, seine Augäpfel schielten zu den auf seiner Jacke sitzenden Tauben.
„Pulp“ machte die Taube mit dem zerupftesten Gefieder, und ein schäumendes Glibberplasma tropfte auf Michael Kohlhaas Jacke.
Ähnlich dem Reflex beim Gähnen oder Husten schien das ansteckend zu sein.
„Pulp“, „Pulp“, „Pulp“ gurrte eine Taube nach der anderen. Eine schnelle Körperbewegung, um die Jacke zu retten, bewirkte das Gegenteil, die Vögel begannen aggressiv auf ihm rumzuhacken.
Seine Jacke wild um sich schleudernd, schaffte er es, sich im Stadthaus in Sicherheit zu bringen.
Dort traf er auch den in Verzweiflung schwelgenden Jean Chene.
„Das hat mich am Kopf getroffen,“ sagte Jean und reichte Michael Kohlhaas ein Blatt Papier mit dem asta-Logo im Briefkopf.


V.
Die Wirkung des Bieres auf den Verlauf der menschlichen Geschichte kann gar nicht überschätzt werden.

Das Gilgamesch-Epos erzählt vom ganzkörperbehaarten Zottel Enkidu, der sinnlos in der wilden Steppe umher tollt und „mit den Gazellen das Gras verzehrt“.
Gilgamesch, ein gottähnliches Wesen, kann das nicht länger mit ansehen und schickt ihm erst mal eine Frau mit dem fantasiefördernden Namen Schamkat (oft fälschlicherweise mit Hetäre übersetzt) vorbei.
Und was wir uns bei Adam und Eva im Religionsunterricht nie richtig vorzustellen getrauten, hier wird es mit deutlichen Worten beschrieben. Die beiden treibens erstmal eine Woche lang so richtig miteinander.

Wie das so ist, nach besagter Woche wird das ganze etwas langweilig und Schamkat lehrt Enkidu Neues, um ihn bei der Stange zu halten. Sie gibt ihm Bier zu trinken.
Nach sieben Bechern ist Enkidu von den Segnungen der Zivilisation überzeugt. Seitdem haben wir den Salat.

„Nicht wusste Enkidu, was Brot war
Und wie man es zu essen pflegt.
Auch Bier hat er noch nicht gelernt zu trinken
Die Schamkat tat den Mund auf und sprach zu Enkidu:
Iß das Brot, Enkidu, das gehört zum Leben!
Trink das Bier, wie‘s Brauch ist im Lande!
Brot aß Enkidu, bis er gesättigt war,
Trank das Bier — der Krüge sieben!
Mit Wasser wusch er ab seinen haarigen Leib:
Und wurde dadurch ein Mensch.“

Welche Lektionen haben wir damit gelernt?
1. Die Frau hat dem Manne die Zivilisation gebracht.
2. Zur Menschwerdung gehört Bier untrennbar dazu.

In der Folge war das Bier der treueste Begleiter des Menschen auf seinem Weg zum Handy-Sapiens, diente als Tausch- und Zahlungsmittel und als Maßeinheit für die Entlohnung von Arbeitern. Die Biersteuer war eine der ersten Steuern überhaupt, in Ägypten war Bierbrauen sogar Staatsmonopol.

Womit wir endlich wieder beim Punkt sind.


VI.
Fünftausend Jahre nach Enkidu sitzt ein Nachfahre in seinem Rektoratszimmer und lässt nervös einen Bleistift nach dem anderen surrend im elektrischen Spitzer verschwinden.
Eben noch war der Studentenprotest ja ganz lustig, als die mit Fingerfarben bemalte barbusige Honey Bunny („Ihr kürzt uns das letzte Hemd weg“) über seinen Schreibtisch kletterte.
Inzwischen gingen ihm die Sprechchöre vor der Tür allerdings gewaltig auf die Nerven.

„Man sollte diese Studenten mal mit etwas ärgern, was sie wirklich trifft.“
Sein Pressesprecher ist hilflos „Aber außer Randale machen und Saufen interessiert die doch nichts.“
Sein Chef nimmt ihn begeistert in den Arm „Sie sind ein genialer Fuchs, Herold!“
Herold, der schon mit Besorgnis beobachtet hatte, wie Honey Bunny den Rektor einige Züge ihres Joints nehmen ließ, ist, ob des ungewohnten Körperkontaktes, irritiert. „Geht es Ihnen – gut?“
„Nie ging es mir besser“, ruft seine Magnifizenz. „Wovon handeln ganze vierzehn Paragraphen im frühesten, uns erhaltenen Gesetzwerk des Hammurabi, worauf wurden lange bevor Kaiser Wilhelm den Sekt für seinen Flottenbau missbrauchte, Steuern erhoben, womit wurden in Mesopotamien und Ägypten die Sklaven ruhig gehalten?“
„Hasch?“
„Humbug! Ich werde Euch schon zeigen, was Sache ist.“ juchzt der Professor, tanzt zu den Fenstern, reißt sie, ehe sein Sprecher ihn hindern kann, auf, und schreit es in die Welt hinaus: „L’uni c’est moi!“
Nur mit Mühe kann er seinen Rektor vom Fenster wegziehen und ihn von dem Gedanken abbringen, er könne fliegen.


VII.
Der Doppelbedeutung des Wortes „Wirtschaft“ Rechnung tragend, nimmt hier unser Rektor die Zügel in die Hand, und gibt dem Gaul Alma Mater die Sporen, Richtung Wirtschaftshochschule Mannheim.
Alles kommerzialisierend, große Bereiche des Uni-Lebens einer obskuren „AbsolventUM GmbH“ überlassend.
Fakultäten, deren direkter konjunkturbelebender Nutzen nicht sofort erkennbar ist, werden geschlossen, bis nur noch übrig bleibt, was vom Geld schwafelt (Wirtschaftslehren) oder heutzutage Geld bringt (Informatik mit technischer Ausrichtung).
Mannheimer, macht Euch bereit, das Wort „Universitätsstadt“ von Euren Ortsschildern abzukratzen.


Warum darf der Rektor das?
Ist ihm eine Art absolutistischer Herrschaft über die Universität gegeben?
Nein, er ist nur auf Zeit gewählt.
Man täusche sich aber nicht, nur weil eine Wahl stattfindet, hat das noch lange nichts mit Demokratie zu tun. Die Volkskammer der DDR wurde auch gewählt.
Denn Demokratie setzt zumindest voraus, dass die Herrschenden von denen, die ihren Entscheidungen ausgesetzt sind, auch wieder abgewählt werden können.
Eine Abwahl des Rektors durch den Senat ist zwar möglich, aber keine Angst, die Grundordnung der Universität ist so konstruiert, dass dieser Möglichkeit so viel Realität zukommt, wie der Existenz von Yeti und Bigfoot zusammengenommen.

Der asta der Uni Mannheim dagegen kann in jedem Sommersemester von den Studierenden abgewählt werden. Allein, ihm fehlt das Element jeglicher Befugnisse.
Er ist der k“asta“rierte Lover im Bett des Supermodels, die ihn entrüstet fragt: „Du bist mit mir in der Kiste, was willst Du eigentlich noch?“

In den letzten Jahrzehnten hat sich hier vor allem eines geändert: Die Arroganz der Macht hat gelernt, sie lässt sich nicht mehr provozieren, um die Machtlosen damit aufzuwerten.
Sie erlaubt ihnen zu reden, bringt sie sinnlos mit ein, bricht mit ihnen die Hausordnung.
Es rollen keine Köpfe mehr, Entscheidungen werden nur noch über Köpfe hinweg getroffen.
Die dreisteste Stufe ist, wenn Politiker die Studentenprotesten loben, im vollem Bewusstsein, ihre Politik davon nicht im geringsten tangieren zu lassen.

Wem gehört eigentlich die Uni? Der Verwaltung? Den Mannheimern? Dem Land Baden-Württemberg?
Wem gehört eine Aktiengesellschaft?
Deren Vorstand würde es weit von sich und auf die Aktionäre verweisen.
Aber wem da was gehört, ist im Reich der gegenseitigen Verflechtungen oft sowieso nicht mehr festzustellen.
Manchmal hat man das Gefühl, die juristischen Personen sind der natürlichen längst überdrüssig.

Es gibt radikale Elemente die herumketzern, ein Unternehmen würde in gewisser Weise auch seinen Mitarbeitern gehören. Stellenweise gibt es betriebliche Mitbestimmung.
Wie wäre es also zur Abwechslung, auch an der Universität die Studierenden an den Entscheidungsprozessen entscheidend mitwirken zu lassen. Insbesondere wenn der Gegenstand der Entscheidung rein studentische Interessen betrifft.
Die Studenten zu „Kunden“ des Wirtschaftsunternehmens Universität zu degradieren ist nur ein Versuch Ausgrenzung elegant zu rechtfertigen.

Darf der Rektor schalten und walten wie er will? Darf der Vorstand in seinem Frankfurter Hochhaus fusionieren, rationalisieren und sich bereichern wie er will, solange nur der Aufsichtsrat brav die Händchen hebt? Wenn ich mir ein Flugzeug kaufe, darf ich dann hinfliegen, wo ich will?

Nicht mehr viel, mit dem man die Mächtigen heute noch provozieren kann, sie sind wieder selbstbewusster, sich ihrer Unantastbarkeit sicher.


(Ende 1. Teil)

Klickt auch in der nächsten Kolumne wieder rein, wenn wir unseren Rektor sagen hören:
„Einer der vielen Vorteile des Biergartens im Westflügel wäre, dass dieser stadtbekannte Stricher- und Homotreff auf der Mensawiese endlich verschwinden würde.“

Am Ende wartet das letzte, noch fehlende Puzzleteil auf den Leser. Der Kreis schließt sich.

Lest jetzt: [articlelink33]Buchblumbier Monopoly (Teil 2)[/articlelink33]


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Presseartikel zum Thema:
http://www.schneckenhof.de/presse/morgenweb_eichba um.htm

„Schwule = Stricher, Heteros = ?“
http://www.uni-mannheim.de/studorg/asta/upload/pub likationen/193/875522c85ac/Basta_77.pdf

„zur Zukunft der Schneckenhoffeten:“
http://www.uni-mannheim.de/studorg/asta/upload/pub likationen/193/2283356e163/basta76.pdf

Pulp Fiction
http://www.godamongdirectors.com/scripts/pulp.shtm l
http://www.angelfire.com/or/hubele/pf.html
http://p.schlierkamp.bei.t-online.de/Texte/pulpfic tion.htm

Gilgamesch-Epos:
http://www.lyrik.ch/lyrik/spuren1/gilgame/gilgam01 .htm

“Die Vögel”
http://www.uni-mainz.de/~manng001/Filme/V/voegel.h tm

Grundordnung der Uni Mannheim:
http://www.uni-mannheim.de/users/rektorat/go/go_05 .html

asta:
http://www.uni-mannheim.de/studorg/asta/start.htm
 
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5 Kommentare zu diesem Artikel
11.01.04, 14:46 Uhr #1 von drunken_bob
Die Verwurstelung des Pulp Fiction Plots mit dem Hitchcock Klassiker die Vögel, dazu eine Brise Michael Kohlhaas gewürzt mit der Uni-Ma-Daily-Reality-Soap und abgeschmeckt mit dem Gilgamenschen, einfach vorzüglich. Eine gute Rezeptur, auf grundlager welcher Drogen kochst du solche lyrischen Ergüsse zusammen?
11.01.04, 15:24 Uhr #2 von Superheld
zu geil ... "that's no tasty beerburger", ich schmeiss mich wech ...

Jede Wette, der Artikel ist Do auf Fr Nacht entstanden.
12.01.04, 12:48 Uhr #3 von tobi
An Ideenreichtum mangelts Dir wahrlich nicht!
13.01.04, 12:19 Uhr #4 von chango
dieser artikel kann nur in der nacht auf Freitag erstanden sein wahrscheinlich zwischen 5 und 6 nach dem Tiff grins ansonsten wieder mal gelungene Kolumne
14.01.04, 18:07 Uhr #5 von lobbo
sehr geil! Mit Witz und Wahrheiten....
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