Die Open House-Reihe der Popakademie erfreut sich längst über die Grenzen der eigenen Studierendenschaft hinweg einer großer Fangemeinde und stetig wachsender Beliebtheit. Nachdem vor einigen Peter Kloeppel das Winterprogramm eröffnete, war nun am Dienstag Abend Edgar Berger der zweite Gast der Hochschule in der Hafenstraße.
In seinem Vortrag "Zwischen So What und Sober" verbreitete der CEO von Sony BMG Germany vor allem Aufbruchsstimmung. Bitter nötig in einer Branche, deren goldene Zeiten spätestens mit der Entwicklung des MP3-Standards und dem rapiden Preisverfall für tragbare Abspielgeräte zu Ende gingen, mag man meinen.
Und so macht er auch keinen Hehl daraus, dass die Branche wichtige Zeichen der Zeit übersehen, ignoriert oder schlicht unterschätzt hat und dies auch heute noch tut.
In acht Jahren haben die Musikmultis fast die Hälfe ihres Umsatzes eingebüßt, 2008 gingen die klassischen CD-Verkäufe abermals um zwölf Prozent zurück - zunächst schwindelerregende Zahlen.
Diese kaum abzuwendende Talfahrt zwingt alle Labels dazu, umzudenken und in alle Richtungen neue Wege zu gehen. Ziel der Sony BMG ist es, 30 Prozent des Umsatzes 2009 aus alternativen Quellen zu generieren, also nicht dem klassischen Ton-und Bildträgerverkauf.
Berger sieht Sony BMG hier sehr gut aufgestellt, und die Zahlen scheinen dies zu belegen: Während der gesamte Markt Ende 2008 um etwa fünf Prozent geschrumpft sein wird, legte Sony BMG für 2007 das beste Jahresergebnis seit sieben Jahren vor.
Doch welche Wege gehen die Labels, um sich neu aufzustellen und ihre Einkünfte aus anderen Bereichen zu ziehen? Zum Einen, und da nimmt Berger kein Blatt vor den Mund, können sich die Labels nur noch Verträge mit Künstlern leisten, wenn diese alle Nebenrechte ebenfalls abtreten. Die Zeiten in denen man keinen Zugriff auf Merchandising und Co. hatte sind vorbei.
Außerdem wagen sich vor allem die Majors immer mehr ins Live-Geschäft vor, mit teilweise durchschlagenden Erfolg, wie im Falle Mario Barth.
Der füllte das Berliner Olympiastadion mit mehr als 70.000 Menschen - bis auf den letzten Platz ausverkauft. Ein ähnliches Bild bot sich bei fast allen anderen Shows im ganzen Land - für ein Comedian spielend Weltrekord.
Trotz all dieser Umwälzungen sieht Berger aber trotzdem auch das klassische Geschäft mit der CD keinesfalls als lahmendes Pferd an.
Das Beispiel "Radiohead" zeige deutlich, so der Sony-Chef, dass der reine Vertrieb via Internet keine zufriedenstellenden Ergebnisse bringt.
Radiohead, so viel muss man wissen, ist nach zunächst spektakulärer Ankündigung, ihr neues Album ausschließlich online zu vertreiben, dann doch den Gang nach Canossa angetreten und veröffentlichte den Langspieler auch auf CD.
Das das Internet und die digitale Musik die Zukunft der Branche ist, daran hat freilich auch Edgar Berger keinen Zweifel. Der Download-Vertrieb ist der Wachstumsmarkt, Steigerungsraten von 25 Prozent stellen derzeit alles andere in den Schatten.
Dazu kommt, das ca. 66 Prozent der Musiknutzer einen MP3-Player besitzen und heute ca. 86 Prozent aller Handys mp3-fähig sind.
Der Anteil der Downloads am Musikmarkt wächst stetig und macht mittlerweile schon mehr als 20 Prozent aus.
Klar und offen kritisiert Berger die bestehende Form des deutschen Urheberrechts. Da seien andere Länder deutlich weiter, so der Konzernlenker, der einst Maschinenbau, Wirtschaftswissenschaften und Philosophie studierte.
In Frankreich beispielsweise, sagt Berger, bekäme man bei der ersten festgestellten Urheberrechtsverletzung eine Email mit der Bitte, dies künftig zu unterlassen, bei der Zweiten einen Brief; wer dann weiter gegen das geltende Recht verstößt, handelt sich eine einjährige Internetsperre ein. Harte Maßnahmen, die Berger auch in Deutschland begrüßen würde, auch wenn sein Vergleich mit dem Hausverbot im Einzelhandel nach einem Diebstahl etwas weit hergeholt scheint.
Beinahe geläutert mutet da die selbstkritische Einsicht an, dass der Mißmut der Nutzer digitaler Musik über den Kopierschutz zu großen Teilen hausgemacht ist. Bei Filmen, Software und Co. gäbe es keine ähnlich große Protestwelle, so Berger.
Die Musikbranche versäumt es aber bis heute, sich auf einen einheitlichen Standard zu einigen, der das Zusammenspiel von gekaufter Musik und den verschiedenen Abspielgeräten zu einer problemlosen Angelegenheit macht.
Die herrschenden Zustände sind auch für Berger fraglos inaktzeptabel und halten viele potentielle Kunden vom Kauf digitaler Musik ab.
Fest steht für Berger aber am Ende des Vortrags eines: egal ob Major- oder Indie-Label, am Ende entscheidet einzig und allein die Qualität was verkauft wird. Starke Marken, starke Musiker mit Profil und Starformat sind nach wie vor das stärkste Zugpferd der Plattenmultis, und Berger sieht die Sony BMG in diesem Wettbewerb sehr gut aufgestellt.